Geschichte

Meinkenbracht im II. Weltkrieg – Die Zerstörungen im April 1945

Artikel der Sunderner Heimatblätter 2020 zu den letzten Kriegstagen in Meinkenbracht.

Meinkenbracht in den 1920er-Jahren
Meinkenbracht in den 1920er-Jahren

Karwoche. Schon seit Tagen werden die Nachrichten am Radio mit Spannung verfolgt. Sind bis Ostern die Amerikaner schon da? Leisten die deutschen Truppen noch viel Widerstand?

Wenige Tage später, am 31.03., Karsamstag, kommen die ersten Quartiermacher und belegen das Dorf für den 4. April mit einer Munitionskolonne.

Am Ostersonntag, 1. April, glaubt man, Artillerieschüsse von einem schweren Gefecht am „Wenner Stück“ hören zu können. Dann wäre die Front bald im Dorf, zumal der Generalstab das Gelände schon abgefahren haben soll. Ein·Offizier prophezeit Düsteres: „Meinkenbracht wird dem Erdboden gleichgemacht, das ist zur Kriegsfüh­rung wie geschaffen.“

In aller Hast werden die notwendigsten Sachen zusammenge­rafft.

Aber wohin damit?

Wo sind sie sicher aufbewahrt?

Am Abend des Ostermontag, 2. April,  kommt eine Truppe von 150 Mann mit 9 Pferden ins Dorf, die für eine Nacht untergebracht werden müssen. Überall haben die Soldaten ihre nasse Kleidung zum Trocknen aufgehängt. Am nächsten Morgen denkt die Truppe aber garnicht an den Abmarsch, dafür kommt aber zusätzlich am Abend die bereits angekündigte Munitionskolonne.

Mittwoch, 4. April. Immer mehr dröhnt die Front, weit kann sie nicht mehr sein. Wo kann das Hab und Gut versteckt, vergraben werden? Ist es in der Homert oder im Welberg günstiger? Den meisten Dorfbewohnern scheint der Welberg sicherer zu sein.

Donnerstag, 5. April. Artilleriefeuer ist immer deutlichr zu hören. Immer mehr Soldaten kommen ins Dorf. Wollen denn alle nach Meinkenbracht? Die Verpflegung. der Soldaten ist schlecht. 

Samstag, 7. April. 480 junge, ungarische Männer, genauer gesagt Jugendliche, werden ins Dorf gebracht und müssen auch noch untergebracht werden.

Sonntag, 8. April. Heute ist es relativ ruhig, wie die Ruhe vor dem Sturm, Unruhe ergreift das Dorf.

Montag, 09.April. Immer noch kommen Soldaten in das Dorf, das letzte Eckchen in Meinkenbracht wird belegt, insgesamt werden inzwischen 6.000 bis 7.000 Soldaten hier lagern.

Man hat Angst vor Plünderungen. Das nötigste wird zusammengerafft und versteckt.

Gegen Mittag fliegen die ersten Artilleriegeschosse über das Dorf hinweg. In der Nacht rückt die Munitionseinheit nach Garbeck ab.

Dienstag, 10. April. Gegen Mittag rückt die Artillerieeinheit ab, dafür kommt eine neue an. Die Straße ist voller Soldaten und Fahrzeuge. Flugzeuge beobachten die ein- und abziehenden Truppen. Einige Dorfbewohner versuchen, ihre letzten Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen.

Die ersten Bomben fallen, MG-Feuer rattert.

Bei der Mühle am Ortsausgang nach Linnepe sind die ersten Toten zu beklagen,
Vieh kommt um.
Artillerie und Flak bauen ihre Geschützstände auf, eine sogar mitten im Dorf.

Die Dorfbewohner bringen sich in Sicherheit. Einige flüchten in Keller, andere suchen Schutz in den Wäldern im Welberg. An Schlaf ist in dieser Nacht nicht zu denken, der dauernde Beschuß hält alle wach.

Als erstes Haus wird Düperthals ge­troffen, das Feuer wird gelöscht. Am anderen Morgen bietet sich den Bewohnern bereits ein trauriges Bild, im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, aber noch harmlos. 

Mittwoch 11. April. Der Beschuß geht weiter.

Kurze Zeit später rückt die Flak ab, nachdem ihr Chef gefallen ist.

Am Nachmittag verstärken die Amerikaner ihren Beschuß, gegen 18.00. Uhr wird Krachts Haus getroffen, es brennt ab.

Etwas später heult das Feuerhorn schon wieder, Winters Haus steht in Flammen. An Löschen ist nicht zu denken, dafür ist der Beschuß zu stark.

Mit Einbruch der Dunkelheit zieht auch die Artillerie ab.

Hoffnung auf ein baldiges Ende des Beschusses, auf eine ruhige Nacht, kommt auf.

Aber die nächste Hiobsbotschaft läßt nicht lange auf sich warten:

Die SS hat gerade Stellung bezogen. Meinkenbracht soll bis zum letzten verteidigt werden.

Alle Hoffnungen sind wie eine Seifenblase zerplatzt. Alle sind ratlos, depremiert.

Welcher Unterschlupf bietet noch Sicherheit?

In der Nacht wird die Gegenwehr der SS-Einheiten stärker, der Beschuß durch die Amerikaner aber auch.

Für die Dorfbewohner, die in Kellern und im Welberg um ihr Leben und um ihr Hab und Gut fürchten, stehen schwere Stunden bevor. Salve auf Salve zerreißt die Nacht. Im Laufe der Nacht werden ein Raub der Flammen: Hammecken, Funken, Schröders, Schneiders und Schnöden.

Mit einer kaum vorstell­baren Geschwindigkeit brennen die Häuser ab, es werden Phosphorgeschosse gewesen sein. Endlich geht die Nacht zu Ende, der Beschuß geht aber unvermindert weiter.

Donnerstag, 12.April. Zwischen 7.00 und 8.00 Uhr brennt auch das Haus von Schulte-Hosang, bald darauf stehen auch Drosten in Flammen.

Vom Kirchturm weht eine weiße Fahne, aber die SS schießt weiter, die Amerikaner antworten wütend.

Gegen 10.00 Uhr brennt dann auch Hessen Haus.

Bald wird der Beschuß ruhiger, die verängstigten Menschen hören Geräusche, wie von anrollenden Panzern.

Endlich – der Beschuß hört auf. Aufatmen, aber doch Angst vor dem, was noch kommt.

Die Amerikaner sind gnädig. Aber der Anblick des zerstörten Dorfes ist fürchterlich.

Insbesondere das Mitteldorf ist ein großer Trümmerhaufen, überall züngeln noch Flammen auf. 11 Wohnhäuser sind zerstört, abgebrannt.

Das ganze Hab und Gut verloren.

Alle anderen Häuser sind mehr oder weniger stark beschädigt. Wie durch ein Wunder sind keine Dorfbewohner zu Tode gekommen.

Gott sei Dank!

Dagegen mußten 11 Soldaten (davon 2 Offiziere) und ein ausländischer Arbeiter, Jan, ein Franzose, ihr Leben lassen.

Auf Anordnung der Amerikaner mußten die Tierkadaver sofort beseitigt werden. In den Bombentrichtern bei der Mühle werden 56 Stück Großvieh verscharrt.

Die obdachlosen Familien werden in den noch bewohnbaren Häusern untergebracht, und auch das gerettete Vieh wird notdürftig wieder eingestallt.

Die Schrecken der vergangenen Tage und Nächte, der Schmerz über das Verlorene, all das hindert nicht daran, bereits in den noch rauchenden Trümmern mit dem schweren und schwierigen Wiederaufbau zu beginnen.

(nach Erinnerungen von Dorfbewohnern an das Kriegsgeschehen aufgezeichnet)